Die Geschichte des Rauchbieres

Der 23. Juli ist der Tag der Rauchbierbewahrung: An diesem Datum wurde anno 1635 die weltweit erste rauchfreie Malztrocknungsanlage patentiert. In der Folge setzten sich rauchfreie Biere durch, und das Rauchbier wurde zu einer seltenen Besonderheit. Nur in Bamberg wurde die traditionelle Rauchdarre bis heute durchgängig bewahrt: Im Schlenkerla brennt noch immer das offene Feuer in der Mälzerei. Sonderaktionen an diesem Tag

Viele Geschichten ranken sich um die Entstehung des Rauchbieres. Teilweise sehr phantasievoll, teilweise eher skurril. Häufig erzählt man sich die Legende, daß im Mittelalter eine Bamberger Brauerei abbrannte und das Malz so versehentlich geräuchert wurde. Wider Erwarten schmeckte den Bambergern das Gebräu, und fortan wurde immer so gebraut. Eine lustige Anekdote, jedoch fern von der Wahrheit.

Bevor man der Frage nachgehen kann, wer das Rauchbier erfunden hat, ist zu klären, seit wann es denn überhaupt Bier gibt.

Im Jahr 2018 wurde in Israel nahe Haifa in einer Ausgrabungsstätte eine knapp 13.000 Jahre alte Brauerei gefunden; vielleicht die Älteste der Welt. Schon vorher wußte man, daß es im Südosten der Türkei in Göbekli Tepe vor ca. 12.000 Jahren eine Kultstätte gab, in der die Menschen Bier brauten. Beide Stätten liegen im sogenannten Fruchtbaren Halbmond, einer halbmondförmigen Region im Nahen Osten, in der sich die Urformen vieler Getreidesorten finden (heute u.a. Israel, Syrien, Jordanien, Türkei, Irak, Iran, nach neuerer Deutung auch Ägypten). Man geht daher davon aus, daß eben dort der Mensch zuerst entdeckte, wie man Getreide zu Lebensmitteln (Brot und Bier) verarbeitet und wie man dieses Getreide dann auch gezielt anbaut: Die Erfindung der Landwirtschaft und damit die Basis unserer modernen Welt. Bei den Sumerern und Ägyptern spielte Bier vor ca. 5.000 Jahren eine entsprechend große Rolle. Man findet Hinweise zur Herstellung in Hieroglyphen und in Keilschrifttexten. Überhaupt scheint in Sumer die Keilschrift u.a. deswegen von Beamten erfunden worden zu sein, um Bier und Getreidemengen für Steuerzwecke dokumentieren zu können. Von den Babyloniern weiß man, daß sie mehr als 20 verschiedene Biersorten hatten. Auch die Römer und Griechen konsumierten neben dem neueren Wein reichlich Bier.

Das Grundprinzip der Bierherstellung hat sich in den vergangenen 13.000 Jahren nicht geändert: Die Stärke des Getreides wird zu Zucker umgewandelt, der dann von der Hefe zu Alkohol vergoren wird. Bei der eingesetzten Technologie für diesen Prozess gab und gibt es jedoch Unterschiede. Die Ägypter hatten ein "Kaltbierverfahren", bei dem Bierbrote mit kaltem Wasser (und z.T. Früchten) vermischt wurden und dann gärten. Die Sumerer wendeten dagegen ein dem heutigen Brauverfahren ähnlicheres sogenanntes "Warmbierverfahren" an, bei dem die Maische (d.h. das Wasser-Getreide-Gemisch) gekocht wurde. Schon früh erkannte man, daß gekeimtes und anschließend getrocknetes Getreide eine bessere Gärung und damit ein besseres Bier hervorbringt; diesen Vorgang bezeichnet man heute als "Mälzen".

Für die Trocknung des gekeimten Getreides gab und gibt es zwei verschiedene Verfahren: Lufttrocknung und Feuertrockung (Luftmalz und Darrmalz). Bei letzterer war es früher unvermeidlich, daß der Rauch das Malz durchströmte und dieses dadurch ein rauchiges Aroma bekam. Feuerdarren gibt es vermutlich schon seit der Bronzezeit vor ca. 5.000 Jahren; in Bab edh-Dhra im heutigen Jordanien am Toten Meer finden sich entsprechende Hinweise. Im feuchteren Klima wie z.B. in Mitteleuropa war die Feuerdarre häufig sogar die einzige Möglichkeit, das Getreide vernünftig zu trocknen; in einem Fürstengrab aus Hochdorf (ca. 550 v. Chr.) findet sich eine solche Rauchdarre. Mehr noch: Für die Vorratshaltung im Winter war es notwendig, das Getreide trocken zu halten. Die Vorratskammern in den Häusern wurde daher mit der Feuerstelle verbunden, damit der Rauch des Feuers diese trocken hält und Schimmel u.ä. verhindert. Als Nebeneffekt sorgte der Rauch vermutlich dafür, daß sich Nagetiere nicht so häufig an den überlebenswichtigen Nahrungsvorräten vergriffen. Nicht zuletzt erfolgte auch die Nahrungs-Zubereitung immer mit offenem Feuer. Rauchiger Geschmack war daher in allen Lebensmitteln üblich, und somit eben auch im Bier.

Fazit: Rauchmalz und damit Rauchbier gibt es schon seit mindestens 5.000 Jahren, und in unseren Breitengraden hatte wahrscheinlich sogar jedes Bier früher ein rauchiges Aroma. Sie genießen also mit jedem Schluck Aecht Schlenkerla Rauchbier ein Stück Vergangenheit!


Schlenkerla Rauchdarre

Das Feuer in der Schlenkerla Mälzerei brennt immer noch.

Aber warum spricht man dann heute oft vom Bamberger Rauchbier?

Nachdem sich über Jahrtausende an den Prinzipien der Bierherstellung wenig geändert hatte, kam es in England im Zug der industriellen Revolution (wie auch in allen anderen Handwerken) zu bahnbrechenden Umwälzungen. Am 23.07.1635 erhielt Sir Nicholas Halse aus Cornwall von König Charles I. ein Patent auf eine neuartige Darre:

"for the dryinge of mault and hops with seacole, turffe, or any other fewell, without touching of smoake, and very usefull for baking, boyling, roasting, starchinge, and dryinge of lynnen, all at one and the same tyme and with one fyre"
"für das Trocknen von Malz und Hopfen mit Seekohl, Torf oder jedem anderen Brennstoff, ohne die Berührung von Rauch, und sehr nützlich für das Backen, Kochen, Braten, Stärken und Trocknen von Leinen, alles auf einmal zur gleichen Zeit und mit dem gleichen Feuer"

Fortan war es möglich unabhängig vom Klima und unter freier Brennstoffwahl rauchfreies Malz herzustellen. Vor allem die Unabhängigkeit vom Brennstoff machte diese neue Herstellungsweise kostengünstiger als die traditionellen Rauchdarren, bei denen man auf hochwertige Holzsorten und gutes Aroma achten mußte und muß. In der Folge wurden weitere Patente auf zusätzlich verbesserte Darren vergeben. Da die neue Technik günstiger in der Herstellung und auch weniger feuergefährlich war, verdrängten in England die neuen Nicht-Rauchdarren die alten Rauchdarren binnen kurzer Zeit.

England war in der Industrialisierung dem Rest der Welt damals weit voraus, und so dauert es noch über 150 Jahre bis die neue Technik in Deutschland Einzug hielt. Georg Sedlmayr der Ältere von der Münchner Spaten Brauerei war einer der ersten, der um 1800 von der althergebrachten "bayerischen Darre" (d.h. Rauchdarre) auf die neue "englische Darre" (d.h. Darre ohne Rauch) umstellte. Sein Sohn Georg Sedlmayr der Jüngere war übrigens derjenige, der mit einer spektakulären Spionagereise nach England in den 1830er Jahren wesentliche Technologieverbesserungen aus England nach München schmuggelte und damit den Grundstein für den heutigen Weltruf des bayerischen Bieres legte (und damit indirekt auch für Bier "Pilsener Brauart" bzw. der Lagerbier-Revolution). Wie schon in England trat die neue Technik nicht zuletzt aufgrund der geringen Produktionskosten in Deutschland ihren Siegeszug an, und schon um 1900 waren nahezu alle Rauchdarren verschwunden. Alle? Nein, in Bamberg gab es Anfang des 20. Jahrhunderts noch 4 Brauereien, die Rauchmalz herstellten (der Begriff "Rauchbier" tauchte in dieser Zeit erstmalig auf): Brauerei Polarbär (im 2. Weltkrieg geschlossen), Brauerei Greifenklau (legte die Rauchdarre in den 1970er Jahren still), Brauerei Spezial und eben das Schlenkerla. Nur die beiden letztgenannten sind bis heute bei der Rauchmalzherstellung geblieben und haben damit als Einzige - weltweit - die alte Tradition bis heute durchgängig bewahrt.

Im Zuge der Craftbier-Bewegung der letzten Jahre sind alte Bierstile wieder populärer geworden. Die großen Handelsmälzereien sind daher dazu übergangen diverse Spezialmalze industriell herzustellen, und somit finden sich heute neuere rauchige Biere, die mit solchen industriell raucharomatisierten Malzen hergestellt werden. Weil die alte Herstellungsweise mit eigener Feuerdarre aber eben nur von Schlenkerla und Spezial in Bamberg durchgängig bis heute bewahrt wurde spricht man oft vom "Bamberger Rauchbier".

Da die neuen kostengünstigeren Möglichkeiten der Rauchmalzherstellung im industriellen Maßstab die traditionelle, aufwändigere und teurere Mälzungsweise bei Spezial und Schlenkerla langfristig zu verdrängen drohen, sind seit 2017 beide Brauereien Passagier in der Arche des Geschmacks von Slow Food®.

Ein altes Sprichwort besagt:

"Tradition heißt, die Flamme zu erhalten, und nicht die Asche aufzubewahren."

In der Schlenkerla Mälzerei gilt das noch heute wortwörtlich, und die Flamme unter der Darre brennt weiter.

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